BEDÜRFNISENTWICKLUNG

Wir dürfen immer wieder in öffentlichen Einrichtungen Veränderungen begleiten. Meistens kommen wir ins Spiel, wenn die Möblierung ansteht. Wir müssen uns bewusst sein, dass Projekte in öffentlichen Einrichtungen, bis es soweit ist, bereits einige Jahre unterwegs sind. Ein Beispiel, als das Sinergia Gebäude in Chur angedacht wurde, gab es das iPhone noch gar nicht! 2020 wurde dann eingezogen. 13 Jahre standen zwischen Start und Bezug, mit Volksabstimmung und allem, was so ein Prozess halt erfordert. Und trotzdem, dass uns das bewusst ist, baut man zum Beispiel Schulhäuser für viele Millionen, die immer noch aussehen wie seit eh und je. Die Betroffenen können sozusagen festlegen wo die Uhr hinkommt…

Solche Prozesse, die nach SIA abgewickelt werden, sind Alltag. Es steht eine Idee im Raum, es sollen x Amtsstellen in einen Neubau, es werden Bedürfnisse aufgenommen, meist in einem Excel, Anzahl Arbeitsplätze, Anzahl Laufmeter Ablage usw. Häufig spricht man in der Wettbewerbsausschreibung noch in einem Absatz von New Work und dann geht’s los. Es entstehen häufig tolle Studien und eine gewinnt und wird umgesetzt. Und das alles dauert eben rund zehn Jahre. Wir projizieren somit in praktisch allen Fällen eine Ist-Situation in die Zukunft. Frei interpretiert durch die Architekten und meist bewertet durch eine Jury mit Fokus Architektur.

Wir sehen in diesem Prozess, aus der Perspektive Change, drei Phasen.

  • Bedürfnisentwicklung
  • Veränderungsbegleitung
  • Rekursive Weiterentwicklung

Ja das passt nicht ganz in die SIA Norm, doch seien wir ehrlich. Was ist, wenn die Hochglanzfotos vom Architekt geschossen sind, die Leute einziehen und diese eine Umgebung vorfinden, die der sich in den letzten zehn Jahren entwickelten Kultur nicht mehr gerecht werden? Wir erleben das immer wieder, da können wir aus Sicht Change-Begleitung keinen Preis mehr gewinnen, denn es ist angerichtet, wir können nur noch versuchen positiv zu kommunizieren, alles andere verursacht nur Verzögerungen im Bau und Zusatzkosten.

Lasst und deshalb von der Phase Bedürfnisentwicklung sprechen (frei nach Key Portilla Kawamura von Studiobanana ✌️).

Wie schaffen wir es, frei vom Ist und Jetzt, unsere Zukunft, mit den richtigen Leuten zu denken? Welche Vision haben wir? Welche Strategie? Welche Rahmenbedingungen müssen wir schaffen, um unser Zielbild zu erreichen? Welche Fähigkeiten müssen wir entwickeln bis dahin? Welche Rollen brauchen wir dazu?

Alles Fragen, die wir aus strategischer Sicht und breit abgestützt denken sollten, als Grundlage für eine Wettbewerbsausschreibung. Was, wenn eine Verwaltung eine Willkommenskultur mit einem aussergewöhnlichen Kundenerlebnis und einer Bündelung von Kompetenzen mit einem positiven Mitarbeitendenerlebnis schaffen will? Gibt’s da noch eine Schalterhalle? Sind Amtsstellen noch alle für sich? Die Bedürfnisse können in dieser Phase, durch genau diese Auseinandersetzung, den ganzen Bau und das darunterliegende Konzept signifikant beeinflussen. Wir finden es zu einfach mal ein Excel rumzuschicken, wir verbauen uns damit unsere eigene Zukunft, wenn wir uns nicht zu Beginn die richtigen Fragen stellen.

Wenn wir dann ein stimmiges Bild haben, legen sich die Architekten ins Zeug. Aus Sicht Change-Begleitung ist diese Phase meist frustrierend. Eigentlich passiert lange einfach nichts… und dennoch, sind wir ehrlich, hätten wir eine ganze Menge zu tun! In der Regel haben nämlich 2/3 der angedachten Vision mit dem Verhalten und nur 1/3 hat mit dem Bau an und für sich zu tun. Heisst, wir könnten bereits über einen ziemlich langen Zeitraum an unserem Verhalten arbeiten, ohne viel zu investieren, wenn wir wollten. Auch diese Zeit geht unter Bedürfnisentwicklung, nicht nur mit der Führung und einigen Early Adopters, sondern breiter. Was hilft es, eine coole Arbeitsumgebung zu haben, wenn die Leute sich eine Willkommenskultur in der Verwaltung noch gar nicht vorstellen können? Was, wenn wir es einfach mal versuchen und bereits jetzt lernen? Wir haben ja alle Zeit der Welt.

Die Phase Veränderungsbegleitung startet ungefähr dann, wenn die Innenarchitektur ansteht. Also die Detaillierung der Bedürfnisse in Layoutpläne abgebildet werden. Haben wir bereits an unserer Kultur gearbeitet, so kommen noch ganz viele neue Erfahrungen dazu, das kann genau jetzt nicht schaden! Hier steht eine intensive Zeit an, zwischen Nutzervertretenden, Change und Innenarchitektur. Fokus sollte dabei nicht nur die Zusammenarbeit im eigenen Kontext, sondern alles was Amtsübergreifend stattfindet und wofür häufig noch gar keine Entscheidungswege definiert sind. Layouts und Visualisierungen von Seite Innenarchitektur und die Abbildung der eigenen Abläufe in diese Layouts, geben eine gute Grundlage für ein stimmiges Zusammen.

Und dann kommt der Einzug! Wir starten mit der bestmöglichen Hypothese, die durch die Nutzervertretenden erarbeitet wurde und leben uns drei Monate lang ein. Erst dann steht die erste Retrospektive an. Was kann verbessert werden? Was hat funktioniert? Was funtz überhaupt nicht? Wir schaffen die richtigen Rahmenbedingungen, damit der rekursive Prozess überhaupt stattfindet. Nicht ein Mal, sondern eben rekursiv. So entwickeln wir uns stets weiter. Mit der richtigen Raumplanung haben wir in der Regel eine super flexible Umgebung, die sich auf eben solche Veränderungen anpassen kann. Dann haben wir einen guten Job gemacht. Immer im Zusammenspiel natürlich.

Der Bedürfnisentwicklung, wird unserer Ansicht nach, in den meisten Fällen, zu wenig oder gar keine Beachtung beigemessen. Dieser Prozess hätte jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Kulturetwicklung der betroffenen Organisationen oder Amtsstellen.

Was macht ihr, damit der Wurm dem Fisch schmeckt und nicht dem Fischer?

Hebend en guata Start is neue Jahr.

Ruggero

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